Häufig gestellte Fragen zum 6. Kondratieff
Hier eine Übersicht auf häufig gestellte Fragen zum sechsten Kondratieff mit ihren Antworten
von Leo Nefiodow
1. Warum herrscht in den USA und Deutschland Vollbeschäftigung?
2. Geht der Kapitalismus seinem Ende entgegen?
3. Die Digitalisierung ist kein Träger des sechsten Kondratieffs
4. Die Rolle des Gesundheitswesens neu denken
2. Geht der Kapitalismus seinem Ende entgegen?
Nefiodow, Leo und Nefiodow, Simone. Januar 2017
Was kennzeichnet die Aufschwungsphase eines Kondratieffzyklus? Über ein halbes Jahrhundert herrscht stabiles Wirtschaftswachstum, es entsteht Vollbeschäftigung, Optimismus ist weit verbreitet. Die Mehrheit der Menschen ist zufrieden, da sich ihre materiellen Lebensbedingungen ständig verbessern.
Aber nicht alle Länder nehmen am Aufschwung eines Kondratieffzyklus teil. Die Sowjetunion z.B. hat es versäumt, in den Träger des fünften Kondratieffs (Abb. 1), der Informationstechnik, rechtzeitig zu investieren. Als Folge verschlechterten sich die Lebensbedingungen stetig, sie fiel im Wettbewerb mit dem Westen ständig zurück und wurde schließlich aufgelöst.
Abbildung 1: Die Kondratieffzyklen seit dem 18. Jahrhundert
Ist ein Kondratieffzyklus zu Ende, dann fällt der wichtigste Antriebsmotor der Gesamtwirtschaft aus. Die historische Erfahrung lehrt, dass die Rezession, die dann einsetzt, nicht nur zu hoher Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit führt, sondern dass – je nach der Tiefe der Rezession – auch Zukunftsängste und soziale Unruhen auftreten können. Typisch für solche Zeiten ist auch das Aufkommen von Stimmen, die nach radikalen Veränderungen rufen.
Derzeitig befinden wir uns in einer solchen Phase. Der fünfte Kondratieff ist zu Ende und der sechste Kondratieff, der um die Jahrhundertwende begann, ist noch zu schwach, um die Weltwirtschaft in einen stabilen Aufschwung zu führen. Und wie auch bei früheren Kondratieffzyklen bestehen schwere und ungelöste Risiken, die der Politik und dem Kapitalismus angelastet werden (Unterbeschäftigung und Massenarbeitslosigkeit, Korruption, Betrug, Drogen, Terrorismus, extreme Ungleichheit, verantwortungslose Börsenspekulationen, Hacking, Cybererpressung, Kriege, Umweltzerstörung usw.).
Die Geschichte lehrt, dass alle bisherigen Rezessionen am Ende eines Kondratieffzyklus durch den Aufschwung eines neuen Kondratieffzyklus abgelöst wurden. Diese Regularität ist seit über Eintausend Jahren empirisch nachgewiesen (Tabelle 1).
Tabelle 1: Die Regularität der Kondratieffzyklen
Quelle: In Anlehnung an George Modelski and William R. Thompson. Leading sectors and world powers: The coevolution of global politics and economics. 1996.
Wenn eine Regularität über einen so langen Zeitraum besteht, dann kann man davon ausgehen, dass sie auch für die Zukunft gilt; dass die Krisenerscheinungen der Gegenwart mit dem neuen, dem sechsten Kondratieff überwunden werden können.
Für diese Annahme sprechen weitere Gründe: Die Menschheit verfügt derzeit über enorme Ressourcen an Kapital, Energie, Forschung, Fabriken und Wissen. Sie verfügt über zahlreiche ausgereifte und effiziente Technologien und Infrastrukturen. Es stehen viele gut ausgebildete Menschen weltweit zur Verfügung und es gibt immer noch mehr Bedürfnisse als Möglichkeiten. Zu fragen ist vielmehr, wie man diese Ressourcen koordiniert in die richtige Richtung lenken kann.
Anders formuliert: Wenn es gelingt, die vorhandenen Ressourcen konsequent in Richtung des sechsten Kondratieffs zu lenken, dann werden die heutigen Krisensymptome rasch an Bedeutung verlieren, Pessimismus und radikale Forderungen nach Systemveränderungen verstummen und eine neue, lange Phase der Prosperität entstehen.
Marktwirtschaft und Kapitalismus haben sich in den letzten 250 Jahren als die flexibelsten und effizientesten Wirtschaftsordnungen erwiesen. Durch ihre hohe Anpassungsfähigkeit und Leistungsfähigkeit haben sie den marktwirtschaftlichen Ländern mit parlamentarischer Demokratie die Führungsrolle in der Welt in Menschenrechte, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Wissenschaft, Technologie und Wirtschaft verschafft sowie den meisten Menschen einen materiellen Wohlstand ermöglich, der in vorindustriellen Zeiten unvorstellbar war. Und beide Ordnungen besitzen immer noch genügend Flexibilität, um sich an die neuen Anforderungen anzupassen und die Krisen der Gegenwart innerhalb dieser Ordnungen unter Kontrolle zu bringen.
Worauf es jetzt ankommt ist, nicht stur an den alten orthodoxen Rezepten festzuhalten, sondern diese Ordnungen weiter zu entwickeln. In seiner heute praktizierten Form verlang der Kapitalismus dringend nach einer Reform. Und das Hauptziel dieser Reform sollten nicht neue Strukturen, neue Finanzierungsmodelle, noch mehr Schulden oder neue soziale Wohltaten sein, sondern der konsequente Einstieg in den sechsten Kondratieff (siehe Artikel „6. Kondratieff“ auf dieser Webseite). Die Länder, in denen das gelingt, werden – wie auch in den letzten 1000 Jahren (Tab. 1) – ihre innere Desorientierung rasch überwinden, ihre akuten sozialen Probleme entschärfen und in eine neue, lange Phase der Prosperität eintreten.